Barbara mitten drin

Ein Halbfinale bei den Olympischen Spielen zu leiten ist an sich schon eine Herausforderung. Wenn dann noch in der letzten Sekunde der Verlängerung Technik, Adrenalin und der Wille zum Sieg aufeinander treffen, wird es nicht einfacher.

Barbara Csar erlebte so eine Situation beim Gefecht von Britta Heidemann (Deutschland) und Shin A Lam (Südkorea), das weit über die Fechterszene hinaus für Diskussionen sorgte. Wie Barbara das selbst erlebt hat, schreibt sie uns aus London per Mail.

Was sich während des gestrigen Semifinales zwischen Britta Heidemann und der Koreanerin Shin A Lam abgespielt hat, habe ich in meiner ganzen Kampfrichterzeit noch nicht erlebt. Es war eine äußerst unglückliche Situation, hervorgerufen durch die Komplexität und technische Abhängigkeit des Fechtsports. In meiner Rolle als Kampfrichterin muss ich regelkonform entscheiden und habe keinen Einfluss auf die Zeitnehmung. Meine Aufgabe ist es, das Gefecht zu leiten und auf der Bahn Entscheidungen zu treffen. Wenn ein Treffer / Doppeltreffer den Regeln entsprechend innerhalb der regulären Zeit fällt, muss ich diesen/diese Treffer geben. Meine Konzentration muss auf das Geschehen auf der Fechtbahn fokussiert sein und nicht auf die Beobachtung des Sekundenzeigers hoch über der Fechtbahn. Deshalb wird mir das Zeitaus auch mit einem akustischen Zeichen angezeigt. Die kleinste Zeiteinheit im Fechtsport ist die Sekunde, d.h. die Digitalanzeige/Sekundenzeiger springt so z.B. von 2 auf 1 und von 1 auf 0. Eine abgeschlossene Aktion zwischen ‚Allez‘ und ‚Halt’ ist daher mehrmals möglich, auch in der letzten Sekunde, solange der Schlussgong bzw. der Sprung von 1 auf 0 die Aktion nicht unterbricht und diese damit ungültig macht. Meine Entscheidungen an der Bahn wurden auch von der Kommission und dem Technischen Direktorium bestätigt. Die sehr unglückliche Situation, dass plötzlich vor der „4. Sekundenaktion“ die Anzeige auf 0:00 stand, entstand nach vorher abgeschlossener Aktion innerhalb der Zeit (Doppeltreffer), wurde vom Gremium korrigiert, von mir an die Fechterinnen transportiert und von diesen auch akzeptiert und angenommen.

Ich bin sehr traurig, dass solch eine unglückliche Situation bei Olympia passiert und dieses Semifinale solche Schlagzeilen gemacht hat. Es war nicht leicht für mich, in dieser Situation ruhig zu bleiben, aber ich habe es dennoch versucht und meine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen getroffen.

Liebe Grüße aus London,

Barbara